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Sonntag, 16. Juli 2023

Spaziergänge

 



Es gibt Menschen, die unterstellen mir eine Art von Nekrophilie, allein schon deshalb, weil ich hin und wieder auf Friedhöfen spazieren gehe. Groß werden die Augen, wenn ich erzähle, dass ich mich nach einem netten Plätzchen für meine letzte Ruhe umsehe. 
Meist treffen mich mitleidige Blicke - verbunden mit der Frage nach meinem Gesundheitszustand. Gerne und ganz besonders interessiert sind manche der Frager an meinem geistigen Befinden.

Um es jetzt ein für alle mal klarzustellen: Weder treibt mich ein besonders morbides Vergnügen dorthin, noch bin ich nekrophil oder gar –sankt veranlagt. Friedhöfe sind in ihrer Ruhe einfach eine stets sprudelnde Quelle der Inspiration. Hier finde ich Geschichten, Anregungen und vor allem: Namen! 
Namen, aus denen sich schon beim Aussprechen die ersten Geschichten im Kopf bilden.

Wie beispielsweise jenes Grab in Bochum-Stiepel mit einem schlichten Grabstein und der Aufschrift: "Hier liegt seit Anno 1695 Katharina die Untugendhafte. Lasst sie unten“. Oder Wattenscheid-Höntrop wartet mit dem Grab „Carolus Albertus Hammer – er war der Schmid im Kloster“ auf.

Besonders haben es mir die katholischen Friedhöfe angetan, da sie teilweise sehr derbe Sprüche für die Verstorbenen erlauben. Hier wird in sehr kurzen und knappen Worten eine ganze Lebensgeschichte erzählt. Vereinzelt findet man sie auch im Rheinland, besonders häufig aber jenseits der Mainlinie. Vor kurzem fiel mir mein kleines Notizbuch mit gesammelten Reimen in die Hände, samt und sonders auf bayerischen Friedhöfen gefunden. Einige davon will ich einfach einmal hier vorstellen:

Hier ruht in Frieden Erwin Kummer!
Er war im Leben nie ein Dummer.
(gefunden in Ingolstadt)

In diesem Grabe wohnt Friedhelm Ruh!
Er vertrank auch seine letzte Kuh!
(Bad Tölz)

Den letzten Weg ging Berthold Dimmer!
Zurück kommt er jetzt nimmer!
(Ebenfalls Bad Tölz)

Erasmus Paulus hieß einst dieser Knecht!
Er behandelte die Mägde schlecht!
(Weiden in der Oberpfalz)

Agatha Frowein strebte nach dem ew´gen Leben!
Es gelang ihr nicht, sie musste sterben!
(Luhe bei Weiden)

In Seligkeit schläft Georg Bitter.
Ihn traf ein Blitz bei dem Gewitter!
(Feucht bei Nürnberg)

Lieselotte Rina hieß die Gute
Sie starb als unser Kirschbaum blühte!
Und liegt nun immerdar hier nieder
Wir trauern sehr, sie kommt nicht wieder!
(Übersee am Chiemsee)

Joseph Schweichart war hier Amtsrat
Dann starb er, was uns gut that!
(Manching)

In dunklem Grab liegt hier Bernhardus Möcke
Er starb am Biss einer gemeinen Zecke!
(Vohburg)

In Passau lebte Genoveva Krodenbichler
Bis einst der Tod sie mit sich raffte
Und wir sie zum Friedhof schaffte n!
(Waldkirchen)

Und zum Abschluß:

Unglückselig traf ein Schlagfuß Franziska Hirnweis
Und brachte sie sehr schnell zum sterben
Hier liegt sie nun in dunkler Erde
Bestattet von uns glücklichen Erben!
(Moosburg an der Isar) 

Ich könnte jetzt noch eine ganze Weile zitieren. Es wird weitere Gelegenheiten geben.

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